Im Rahmen des Alterungsprozesses kommt es zu einer Atrophie aller beteiligten Gewebeschichten bis zum Knochen. Daher reicht es nicht, einzelne Falten aufzufüllen, sondern es geht vielmehr um die Wiederherstellung jugendlicher Proportionen, was nur in einem mehrstufigen Prozess unter Einsatz verschiedener Präparate erreicht werden kann.
Alterungsprozesse spielen sich nicht nur an der
Haut ab, sondern umfassen sämtliche Schichten bis
einschließlich des Knochens. Gerade Fett und Bindegewebe
sind einem altersbedingten Abbau unterworfen.
Im Gesicht unterscheidet man zwischen einer oberflächlichen
und einer tiefen Fettschicht. Im Rahmen
des Alterungsprozesses kommt es zu einem Volumenverlust
der oberflächlichen und tiefen Fettkompartimente.
Der Schwerkraft folgend rutscht das
Weichteilgewebe nach kaudal ab. Ab ca. dem 50. Lebensjahr
beginnt zudem der knöcherne Abbau.
Durch strukturelle Veränderungen des Knochens
wie z.B. die Abflachung der Jochbeine, Vergrößerung
der Orbita und der Verlust des definierten Kieferwinkels
geht die knöcherne Stütze für die darüber
liegenden Weichteile verloren, wodurch Letztere
ebenfalls absacken. Knöcherne Veränderungen sind
auch für den ausgeprägten Verlust der anterioren
Projektion verantwortlich.
In einer wissenschaftlichen Studie wurde untersucht,
wie sich die Fettkörper im Gesicht im Laufe
des Alterungsprozesses verändern. Dazu wurden
computertomografische Aufnahmen und Ausmessungen
von Kadavern zweier Altersgruppen
(54–75 Jahre versus 75–104 Jahre) miteinander
verglichen.
Der Abstand zwischen den Fettkompartimenten
und dem unteren Orbitarand war in der älteren
Gruppe höher als in der jüngeren Gruppe. Zudem
war in der älteren Gruppe die sagittale Dicke des unteren
Drittels der wichtigsten Fettkompartimente
im Mittelgesicht höher und die sagittale Dicke des
oberen Drittels kleiner als in der jüngeren Gruppe.
Damit liefert die Studie die Erkenntnis, dass es im
Rahmen des Alterungsprozesses tatsächlich zu einer Migration der Fettkompartimente im Mittelgesicht
nach kaudal kommt.
Die oben beschriebenen altersbedingten Veränderungen
führen zu einer Änderung der Gesichtsform:
Durch das absackende Gewebe geht auch die in der
Jugend definierte Mandibula- und Kinnkontur verloren,
der untere Gesichtsbereich verbreitert sich.
Typisch für ein junges Gesicht ist die Form eines
nach unten zeigenden Dreiecks mit der typischen
V-Form, wobei sich die Proportionen durch die oben
genannten Veränderungen so verschieben, dass es
im höheren Lebensalter zu einer Umkehr dieses
Dreiecks kommt, dessen Spitze nun nach oben zeigt.
Die Kenntnis dieser anatomischen Veränderungen
ist Voraussetzung dafür, ein natürliches Behandlungsergebnis bei der Full-Face-Behandlung erreichen
zu können.
Altersbedingte Veränderungen im Gesicht können
durch Vektoren dargestellt werden.
Um die Gesichtsform wieder zu verjüngen, sind ein
laterales/vertikales Lifting entsprechend der Vektoren
sowie ein Ausgleich des Volumens zur Wiederherstellung
der Projektion erforderlich.
Während die Wiederherstellung der Vektoren sowohl
invasiv und auch minimalinvasiv erfolgen
kann, ist der Volumenaufbau über die Implantation
von Fillern möglich. Dabei müssen an die verwendeten
Volumenfiller besondere Ansprüche gestellt
werden. Ein Volumenfiller auf Basis von Calciumhydroxylapatit
(CaHA) ist aufgrund seiner physikalischen
Eigenschaften besonders gut zur Volumensubstitution
geeignet. Die enthaltenen CaHAMikrosphären
(30 Prozent) mit runder, glatter
Oberfläche (Ø 25–40μm) in einer Gelmatrix, einem
cellulosebasierten Gel aus Wasser und Glyzerin,
stimulieren langfristig die Kollagenneusynthese,
sodass ein doppelter Wirkmechanismus postuliert
werden kann.
Aufgrund der hohen Elastizität hat der Filler eine
große Toleranz gegenüber Dehnung und kann
negativen Vektoren wie der Schwerkraft und Hautschlaffheit
widerstehen. Dank des sehr guten Hebevermögens
ist weniger Volumen als bei einem
herkömmlichen Hyaluronsäurefiller erforderlich.
Neben der hohen Elastizität verfügt CaHA auch über
eine hohe Viskosität. Eine Migration ist damit per se
nicht möglich. In Regionen bzw. Indikationen, in
welchen mehr Verteilung gewünscht wird, lässt
sich dies durch Beimischen von Lidocain erreichen.
Dadurch steigt der Patientenkomfort und macht die
Behandlung nicht nur für den Anwender angenehmer,
sondern auch für den Patienten.
Die Injektion eines CaHA-haltigen Fillers sollte immer
retrograd in die tiefe Dermis oder Subkutis erfolgen.
Eine oberflächliche Injektion sollte unverdünnt
vermieden werden, da dies unregelmäßige
Korrekturen zur Folge haben könnte. Eine tiefe,
supraperiostale Implantation ist ebenfalls möglich,
insbesondere dann, wenn ein anschließendes „Finetuning“
mit einem Hyaluronfiller in der Dermis
gewünscht wird.
Besonders geeignet zum Volumenaufbau ist die
Wangen-Jochbeinregion. Eine Augmentation des
medialen und kranial mittleren Wangenkompar -
timents betont die Zugrichtung der Elevatoren. Das
Gesicht erhält einen „freundlicheren“ Ausdruck.
Durch den Volumenrückgewinn im Jochbogenbereich
kommt es zusätzlich zu einem nasolabialen Hebeeffekt
und einer sekundären Straffung der Haut.
Eine Augmentation des mittleren und kaudalenlateralen
Wangenkompartiments kann zusätzlich
neben einem nasolabialen Hebeeffekt auch die
Marionettenfalten anheben.
Hilfreich ist für den Anwender, mit einem weißen
Kajalstift Hilfslinien vor der Implantation im Gesicht
zu kennzeichnen. Markiert man z.B. die Jochbein -
bogenkanten, so soll der Injektionspunkt für die
Vektortechnik in der Mitte zwischen diesen beiden
Linien liegen, um so auch den Bereich der Nasolabialfalten
mit anzuheben.
Eine weitere praktische Hilfslinie verläuft vom
Tragus zur Ala nasi: Oberhalb der Linie sollte
das Material supraperiostal, unterhalb subdermal
oder subkutan platziert werden. Der Volumenfiller
eignet sich, wie oben beschrieben, auch zu einer Rekonturierung
der Kiefer-Kinn-Linie. Hier empfiehlt
es sich, direkt am Kieferwinkel und entlang der Kieferlinie
zu injizieren. Bei der abgebildeten Patientin
wurde ein Full Face Approach mit dem Volumenfiller
durchgeführt, wobei sowohl Wangen als auch
die Kiefer-Kinnlinie augmentiert sowie die Nasolabialfalten
gefüllt wurden.
Wie bei jeder Fillerbehandlung sollte der Patient
nach zwei bis vier Wochen zu einem Kontrolltermin
einbestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt können
verbliebene feine Restfältchen durch einen niedrigviskösen
Hyaluronsäurefiller oberflächlich ausgeglichen
werden.
Eine solche umfassende Behandlung ist durch die
Kombination verschiedener Verfahren möglich. Dafür
wird inzwischen ein Kombipaket für die Komplettbehandlung
eines Gesichtes angeboten. Dieses
berücksichtigt die Anforderungen für oberflächliche
und tiefe Behandlungen und enthält neben zwei
Packungen eines Volumenfillers auch zwei Packungen
eines Hyaluronsäurefillers sowie zwei atrau -
matische Kanülen.
Die Lippen sollten in jede Rejuvenationsbehandlung
mit einbezogen werden, da volle Lippen kulturübergreifend
als Inbegriff der Jugendlichkeit und Sinnlichkeit
verstanden werden. Unter Kaukasiern gelten
ein betontes Philtrum, ein fein geschwungener
Amorbogen in Form einer Herzkontur und eine konkav
gewölbte Oberlippe als ideal.
Von Natur aus ist die Unterlippe etwas größer als die
Oberlippe. Das ideale Verhältnis von Oberlippe zu Unterlippe beträgt bei Kaukasiern 1 : 1,6, was genau
dem goldenen Schnitt entspricht. Bei Männern
sollten Lippen nicht zu voll ausgeprägt sein, da
volle Lippen Weiblichkeit symbolisieren.
Mit zunehmendem Alter kommt es zum einen zu
einem Abbau von Volumen an der Lippe, zum
anderen zu einem Verlust der Lippenkontur und
Vermillion-Grenze.
Da die Vorstellungen einer „idealen“ Lippe unterschiedlich
sein können, ist es hilfreich, standardisierte
Skalen zur Beurteilung des Istzustandes
sowie zur Abklärung eines möglichen Wunschzustandes
für das Patientengespräch zu verwenden.
In der Regel wollen Patienten vor allem mehr Volumen.
Dabei gilt es aber, die idealen Proportionen im
Blick zu behalten. Nur dann können sehr schöne
Ergebnisse erzielt werden.
In die Lippenbehandlung mit einzubeziehen ist der
Ausgleich von radiären Fältchen und das Anheben
der Mundwinkel. Radiäre Fältchen lassen sich unter
Anwendung der sog. Blanching-Technik mit
einem niedrigviskösen Hyaluronfiller sehr gut auffüllen.
Orale Kommissuren werden mit einem elastischen
und kohäsiven Hyaluronfiller angehoben
und tragen so zu einem positiven Gesichtsausdruck
bei.
Dermalfiller, die zur Behandlung der Lippen eingesetzt
werden, sollten sich optimal dem Gewebe anpassen
und integrieren. Bezüglich der Biointegration
sind einer klinischen Studie zufolge monophasische
polydensifizierte Hyaluronfiller sowohl
biphasischen Produkten, die Partikel enthalten,
als auch monophasischen monodensifizierten
Hyaluronfillern deutlich überlegen. Aufgrund
verschiedener Dichtezonen im Gel können sie sich
besonders gut umliegendem Gewebe anpassen
ohne dabei dessen Integrität zu stören.
An der Lippe kann sowohl mit der scharfen Nadel
als auch mit der stumpfen Kanüle gearbeitet werden,
wobei letzteres Vorgehen für Patienten deutlich
angenehmer ist. Lokalanästhetika enthaltende
Hyaluronfiller sind vorteilhaft, da die Lippenregion
sehr schmerzempfindlich ist.
Bei der Blanching-Technik wird mit einer kurzen
30 G-Kanüle und dem Anschliff nach unten so
oberflächlich injiziert, dass eine Weißverfärbung
der Haut („Blanching“), ähnlich den früheren Kollagenimplantationen,
sichtbar ist. Diese Technik ist
nur mit einem monophasischen polydensifizierten
Dermalfiller optimal möglich, da dieser sehr
oberflächlich injiziert werden kann, ohne den
gefürchteten Tyndall-Effekt auszulösen. Wichtig
ist dabei, den Anschliff der Kanüle nur ganz knapp
unter die Haut zu bringen. Nach der Implantation
sollte das Material dann ausmassiert werden.
Korrekt durchgeführt, verschwindet die weißliche
Verfärbung innerhalb weniger Minuten.
Auch für die Lippenbehandlung gibt es ein Behandlungsset,
welches zwei unterschiedlich visköse
Hyaluronsäurefiller mit Lokalanästhetikum
enthält. Mit diesem Set können somit alle Behandlungssituationen
an der Lippe gemeistert werden:
Der viskösere Filler ist dabei für eine Volumengebung
im Ober- und Unterlippenbereich geeignet
sowie für das Anheben der Mundwinkel, das niedrig
viskösere Präparat eignet sich darüber hinaus
besonders für die Konturierung des Lippenrandes
sowie für die Betonung des Amorbogens und des
Philtrums.
Mit Full-Face-Behandlungen werden die ästhetisch ansprechendsten und natürlichsten Ergebnisse bei der Gesichtsrejuvenation erreicht, da hier jugendliche Proportionen dreidimensional rekonstruiert werden können. Voraussetzung aufseiten des Behandlers sind umfassende anatomische Kenntnisse. Full-Face-Behandlungen sind stets Kombinationstherapien, die mehrere Sitzungen umfassen. In jedem Fall sollten auch die Lippen einbezogen werden, da sie ein wesentliches Merkmal bei der Beurteilung eines „jugendlichen Gesichts“ darstellen.
Quelle: face 4/2014